Im BEAT Producer Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Ben Lukas Boysen, dessen Arbeit sich auf dem schmalen Grat zwischen Soundtracks, moderner Klassik und Electronica bewegt.
Ben Lukas Boysen empfängt uns in seinem neuen Studio. Der kleine, aber einladende Raum beherbergt seine persönliche Sammlung klassischer Synthesizer, Drumcomputer und eine akribisch geordnete Kabelsammlung („Ich habe immer noch das Gefühl, dass sie nicht geordnet genug ist“, gibt er lachend zu, „ich leide unter schwerer Kabel-OCD.“). Die meiste Musik entsteht jedoch “in the box”, sogar die atemberaubend schönen Klavierklänge, für die er berühmt geworden ist. Die Einfachheit und Sauberkeit des Raums bietet den perfekten Schutzraum für die faszinierend eigenwilligen Rave-Ausflüge seines experimentellen Projekts Hecq – das er nun, nach einer mehrjährigen Phase der Stille, wieder aufleben lässt.
In vielerlei Hinsicht ist dies der perfekte Zeitpunkt für ein Gespräch. Dank glorreich produzierter Alben wie “Mirage” oder “Gravity” ist Ben längst aus dem Schatten einiger der größeren Labelkollegen von Erased Tapes herausgetreten – allen voran Nils Frahm, den er bei “Gravity” noch als Produzent hinzugezogen hatte. Vor allem die letzten Jahre brachten dank starker Soundtrack-Arbeiten den Durchbruch. 2019 wurde er gebeten, den deutschen Thriller “Der Fall Collini” zu vertonen, seinerzeit der erfolgreichste Film des Jahres. 2022 folgte die TV-Serie “The Lazarus Project”, eine spannungsgeladene Zeitreisegeschichte, die sich in einem an Tennet gemahnenden Universum bewegt und wohl die bisher ambitionierteste und kreativ überzeugendste Originalserie von Sky darstellt.
Boysens klassische Ausbildung, und seine Jugend in einer Familie von Kreativen und Musikliebhabern, bildete die ideale Basis für einen natürlichen Umgang mit orchestralen Klangfarben. Gleichzeitig führte ihn seine persönliche Liebe zum IDM der 90er Jahre, von Aphex Twin bis Autechre, zu elektronischen Klangskulpturen, komplexen Beatmustern und gespenstischen Stimmungen. Bei Hecq ging es (unter anderem) immer darum, diese beiden scheinbar gegensätzlichen Tendenzen zu einer einheitlichen Sprache zu verschmelzen, zusammengehalten von Boysens Begabung als Arrangeur, Sounddesigner und Klanggeschichtenerzähler.
Nach einer mehrjährigen Pause von Hecq, gibt es nun plötzlich eine neue EP. Sie trägt den Titel “Form” und ist eines der vielversprechendsten Comebacks in diesem Jahr. “Form” schafft es, ein vertrautes, leicht nostalgisches Gefühl zu transportieren und dieses gleichzeitig in Tracks einzubetten, die einige der abenteuerlichsten Kompositionsideen in Boysens Karriere aufweisen.
Weniger episch in Design und Klang als das Vorgängeralbum “Mirage” arbeiten diese Stücke mit eigentlich einfachen Ideen, um verblüffend originelle Ergebnisse zu erzielen. Sie zeugen von den Talenten eines Produzenten, für den die Welt der Musik noch voller ungenutzter Potenziale ist – und der, wie unser Podcast beweist, sich auch gerne in aller Tiefe darüber unterhält.