• BEHIND THE BEAT Producer Podcast

    #35 mit Dave Clarke

    Im Behind the Beat-Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Techno-Ikone Dave Clarke, dessen frühe Red-Trilogie den Kern eines aufwendigen Box-Sets bildet.

    Zwischen 1989 und 1995 veröffentlichte Dave Clarke unter verschiedenen Pseudoynem 14 EPs. Sie zeichnen das Bild eines Künstlers auf der Suche: nach neuen musikalischen Ufern, nach zunehmend packenderen Produktionen Vor allem aber war es eine Suche nach sich selbst.

    Die Red-Trilogie bildete den Abschluss dieser Phase. Auf drei EPs etablierte sich Clarke endgültig als einer der führenden Techno-Produzenten seiner Generation. Keine davon gehorcht den Gesetzen einfacher Kategorisierung: Auf “Red 1” stellt er minimalistische Detroit-Sounds den Broken-Beats und Rave-Bässen der UK-Szene gegenüber. Das längst klassische “Wisdom to the Wise” frönt dubbigen Klängen mit eindeutigen Parallelen zu der gleichzeitig aufkeimenden Basic-Channel-Ästhetik. Auf “Red 3” schließlich hämmert die Bassdrum so hart wie auf einer rotterdammer Gabba-Party. Clarke hatte seine Stimme gefunden – und sprach plötzlich fließend in gleich mehreren Sprachen gleichzeitig.

    Zusammen mit dem 1995er Album “Archive One”, gesammelten Remixen aus den 90ern und einigen neuen erscheint die Trilogie nun erneut auf Vinyl. Zusammen mit uns blickt Dave zurück – ohne dabei die Zukunft aus den Augen zu verlieren.

    #34 mit Enyang Urbiks

    Im Behind The Beat Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Enyang Urbiks, die in ihrem Berliner Mastering-Studio die Kunst des genauen Zuhörens zelebriert.

    Für manche ist Mastering eine Art schwarze Magie. Für andere ist es schlicht einer der wenigen verbliebenen Jobs in der Musikindustrie, mit dem sich noch ein nennenswertes Einkommen generieren lässt. Für Enyang Urbiks hingegen ist es eine lebenslange Leidenschaft, eine Kunst in sich und integraler Bestandteil des kreativen Prozesses.

    Für unser Gespräch hat mich Enyang in das Urbiks Studio eingeladen, eine holzgetäfelte Oase im Berliner Funkhaus-Komplex. Das Equipment, welches hier zum Einsatz kommt, wurde ursprünglich für die Kollegin Heba Kadry (Björk, Ryuichi Sakamoto) konzipiert und Enyang und ihr Partner Jan haben es in die atemberaubenden, eleganten Elemente des belgischen Unternehmens Northward Systems eingebettet. Während Enyang in der Küche einen wunderbaren Tee kocht baue ich in der intensiven Ruhe des Kontrollraums meine Geräte auf – man kann sich sehr gut vorstellen, hier viele intensive Stunden in höchster Konzentration zu verbringen. Genau das tut sie auch und hat sich ein bemerkenswert vielfältiges Portfolio aufgebaut.

    Für Enyang geht es beim Mastering vor allem um das Herstellen einer gewissen Stabilität, das Gefühl, dass jedes Element auf der genau richtigen Frequenz schwingt. Das mag esoterisch klingen, ist aber eine in einer langen, täglichen Praxis verwurzelt. So hat sie ihr Handwerk in zahllosen Stunden und Mastering-Sessions in Japan erlernt, wo sie nahezu über Nacht eine Anstellung in einem Studio erhielt. Die harte Arbeit hat sich ausgezahlt und heute verlassen sich KünstlerInnen der unterschiedlichsten Stilrichtungen auf ihren Geschmack, ihr Gefühl und vor allem auch ihre Einfühlsamkeit. Darunter beispielsweise die venezolanische Klangkünstlerin Arca, die ihre inzwischen legendäre “Kick”-Trilogie von Enyang betreuen ließen.

    Viele kommen für Nachfolgeprojekte wieder zurück. Und das, obwohl KI inzwischen durchaus brauchbare Ergebnisse zu weitaus geringeren Kosten bietet. Der Grund ist einfach: Gutes Mastering ist weder schwarze Magie noch kann es einfach nur ein Job sein. Es ist ein gemeinschaftlicher Prozess, der aus einem persönlichen Produkt die unversalen Resonanzen herauskitzelt.

    #33 mit Moses Schneider

    Im Behind the Beat Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Moses Schneider, der auf dem „Human Beat Pack“ 40 Jahre Erfahrung zu mitreißenden Loops destilliert.

    Für viele sind die Aufnahmen von Moses Schneider „der Wahnsinn“. Doch hat dieser Wahnsinn Methode. Die Moses-Schneider-Methode um genau zu sein. Die hat der Engineer und Produzent mit Musikern der unterschiedlichsten Stilrichtungen entwickelt: Von Hip-Hop (Dendemann) und Indie (Tocotronic, Pixies) über Metal (Kreator) und Punk-Rock (Beatsteaks) bis hin zu Electro-Pop (Bobo in White Wooden Houses).

    Bei der Moses-Schneider-Methode handelt es sich nicht um eine strenge Schritt-für-Schritt-Aufzählung technischer Specs oder Produktionssschritte. Vielmehr geht es um den bestmöglichen Schlagzeug-Klang. Dafür hat Moses eine Mikrophonierungs-Aufstellung entwickelt, die für Gänsehaut und pure, nackte Emotion sorgt. Kein Wunder also, dass der Equipment-Hersteller elysia in Moses den idealen Partner für ein ambitioniertes Projekt sah: Ein Beat-Pack, das einen „menschlichen Trommler“ zwar nicht ersetzt, aber doch so nahe wie möglich an dessen Groove und Ideenreichtum herankommt.

    Und so schloss er sich mit dem Drummer Demian Kappenstein in ein Studio in Südfrankreich ein und nahm zwei Wochen lang, angetrieben von musikalischer Leidenschaft und französischer Koch- und Kaffeekunst, die nun als „Human Beat Pack“ veröffentlichten Loops ein. Dabei kamen die drei grundlegenden Mikro-Positionen der Moses-Schneider-Methode zum Tragen: „The Wurst“ (mitten im Drumkit, fängt den rohen Charakter ein), „SnareO“ (für detailreiche Snares und Hihats), und die „Droom“ (aufgenommen direkt vor den Cymbals und in den Raum schauend). Zusammen erlauben sie es, den Perkussion-Klang organisch einzufangen, und anschließend so detailversessen wie gewünscht zu bearbeiten.

    Von der Suche nach dem perfekten Schlagzeug-Sound ist Moses genau so bessessen wie andere von der Suche nach dem perfekten Song. Darum war das „Human Beat Pack“ für ihn auch kein Job, sondern ein „wahrgewordener Traum“. Und deswegen sind seine Aufnahmen zwar stets gut geplant – aber eben auch immer noch schlicht der Wahnsinn.

    #32 mit Protection von CHRCHES

    Im Behind the Beat Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um das Duo Protection, das Drum n Bass mit Ambient und Electronica kombiniert – und dabei alle Erwartungshaltungen über Bord geworfen hat.

    Ist es möglich? Musik nur aus der Freude am Spielen und Komponieren heraus zu machen? Kaum PR-Aufwand zu betreiben und in den sozialen Medien nur minimal in Erscheinung zu treten? Sich nicht um Streaming-Zahlen zu kümmern und den Markt nicht mit kostspieligen Vinyl-Ausgaben oder hippen Tapes zu fluten? Iain Cook und Scott Paterson glauben ganz fest daran. Genauer gesagt, sie glauben nicht nur daran, sondern handeln bereits nach dieser Maxime.

    Dabei könnten Iain und Scott nur allzuleicht mit dem Pfund ihrer berühmten Haupt-Projekte wuchern. Iain zum Beispiel ist Mitglied der schottischen Pop-Sensation CHRCHES und kann auf eine lange, erfolgreiche Karriere mit den unterschiedlichsten Bands zurückblicken. Scott wiederum stand in der Vergangenheit viele Jahre mit den großartigen Indie-Rockern Sons And Daughters im Rampenlicht und ist aktuell eine feste Größe als Produzent in Glasgow.

    All das aber interessiert sie nicht, wenn sie gemeinsam an Musik arbeiten. Vielleicht auch, weil sie sich bei Protection teilweise sehr weit von ihren musikalischen Anfängen und vom Tagesgeschäft abwenden. In den besten Momenten – und davon gibt es auf ihren ersten beiden EPs “Seeds I” und “Seeds II” sehr viele – bringen sie dabei das Beste des langen britischen Hardcore- und Ambient-Continuums zusammen: Aphex Twin, Burial und Photek und eine ganze Menge Melancholie, Mystik und hypnotischer Grooves.

    Es könnte wirklich ganz, ganz groß werden. Aber genau darum geht es hier eben nicht.

    #31 mit Vince Clarke

    Im Behind the Beat Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Depeche-Mode- und Erasure-Legende Vince Clarke, der mit 63 sein erstes Solo-Album “Songs of Silence” aufgenommen hat – eine Sammlung atmosphärischer Experimente, Exkursionen und Exerzititen auf dem Eurorack.

    Wenn ich an Vince Clarke denke, denke ich in Farben: Die Regenbogenpalette auf dem Cover des Erasure-Albums “Circus”. Die hyperreal-kitschigen Lilatöne auf “Loveboat”. Sogar ihre Sounds klangen quietschig-grell – und lauteten nicht ihre letzten beiden Studiowerke auf die Namen “The Neon” und “Day-Glo”? Wenn ich an Vince Clarke denke, denke ich auch an das Video zu “Chorus”, in dem er und Andy Bell auf dem Strand herumturnten und Vince als verrückter Professor an einem gigantischen Modular-Synthie die Knöpchen drehte. “Ehrlich gesagt war das gar kein Synthie” meint Vince grinsend als ich ihn darauf anspreche, “Es war eine alte Telefonanlage!”

    Aber auch das passt. Denn wenn es jemandem zuzutrauen ist, sogar aus einem überholten Museumsstück die wundersamsten Klänge hervorzuzaubern, dann ist es zweifelsohne Vince Clarke. Seit nunmehr vierzig Jahren ist er der Tüftler und Schrauber im Hintergrund, der analoges Piepen, Knarzen, und Knattern in chartstaugliches Material sublimiert. Drei seiner Bands haben einen bleibenden Fußabdruck in der Musikgeschichte hinterlassen: Depeche Mode, mit ihrer Kombination aus Pop und Gothic. Yazoo, deren Fusion aus warmem Soul und kühler Elektronik ihrer Zeit bemerkenswert weit voraus war. Und schließlich Erasure, die inzwischen vielleicht konsequenteste Verkörperung der Synthie-Pop-Philosophie.

    Um so erstaunlicher, dass Clarke erst jetzt, mit inzwischen 63 Jahren, sein erstes Soloalbum unter eigenem Namen vorlegt. Der Schritt war, wie erwartet, der Pandemie geschuldet. Er habe sich schlicht, wie viele andere auch, zu Tode gelangweilt und eine Art akustisch Spielwiese gebraucht. Schon in vielen Interviews hatte er im Laufe der Jahre erwähnt, wie gerne er tiefer in das Potential seines Eurorack-Systems eintauchen wollte. Nun war der Moment gekommen. Es entstanden naïve Studien und Versuche, Mikro-Jams und Skizzen. Clarke konnte es selbst nicht glauben, als seine Plattenfirma Mute von den Ergebnisen begeistert war und sie unbedingt herausbringen wollte.

    Als Hörer darf man dankbar dafür sein. Denn so großartig Erasure in ihren besten Momenten bleiben: “Songs of Silence” ist ein willkomener Blick in eine komplett andere Dimension seines Schaffens. Statt Stimmen und Songstrukturen nutzt das Projekt die Magie der Wiederholung, sucht in einer Vielzahl bewusst gewählter Regeln und Limitierungen frische Inspiration. Drones und pulsierende Ambienttexturen, krautig klingelnde Sequenzen, verstörende Samples und ein wehklagender Gastauftritte eines Cellos ergeben ein dunkles, hyonotisierendes Werk ohne Refenzpunkte in Clarkes bisherigem Schaffen.

    Und das Cover? Ist natürlich schwarz-weiß.