• BEHIND THE BEAT Producer Podcast

    Episode #51 mit Adam Beyer

    Im Behind the Beat-Podcast bittet Tobias Fischer Kreative zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge widmet sich Techno-Legende Adam Beyer, der sich mit “Explorer Vol. 1” mit seinem ersten Album in einem Vierteljahrhundert zurückmeldet.

    Dass man ihm den Ausverkauf vorwirft, seine neuen Tracks als kommerzielle Massenware beschimpft und den Stil seines Labels Drumcode mit dem unschmeichelhaften Begriff “Yuppie-Techno” versieht – all das ist Adam Beyer längst gewöhnt. Für ihn aber liefern nicht die sozialen Medien die Antwort auf kreative Fragen, sondern immer noch die Clubs. Und die fordern bislang noch immer mehr: mehr von seinen unnachahmlichen DJ-Sets und und dem erkennbaren und sich dennoch beständig wandelnden Sound seiner Artist-Familie.

    Beyer ist gewiss nicht der einzige Pionier, der sich im Laufe seiner Karriere kreativ hinterfragt und dafür Kritik eingefangen hat. Wahr ist aber auch: Beyer hat aus seiner Liebe für viele verschiedene Spielarten elektronischer Musik niemals einen Hehl gemacht. Aphex Twins war seine Einstiegsdroge, die Sets von Jeff Mills sorgten für den ersten Rausch und auch die melodischen Spielarten von Trance waren niemals ein Tabu für ihn. Der minimalistische, harte, dunkel-bedrohliche Techno, mit dem sein Aufstieg in den Olymp der Szene begann, war in den frühen Jahren stets in eine Landschaft eingebettet, in der all diese Stilrichtungen gleichberechtigt nebeneinander Platz fanden.

    Schon Beyers, “Ignition Key” aus 2002 wagte sich in Soundscape- und Electronica-Bereiche vor, hatte einen schwebenden, sinnlichen Fluss. Auch für “Explorer” nahm er eine Vielzahl Kompositionen auf, die weit über die eng gesteckten Genre-Grenzen hinausgingen. Wie er in unserem Interview berichtet, existiert sogar ein komplettes Parallel-Album mit eher songorientiertem Material, doch entschied er sich im wortwörtlich letzten Moment gegen eine Veröffentlichung.

    Trotzdem ist “Explorer” von einer wahren Explosion an Energie gekennzeichnet. Und wie der Zusatz “Vol. 1” bereits andeutet: Diese Reise geht hier nicht zu Ende. Sie hat gerade erst begonnen.

    #50 mit Mara Schwerdtfeger

    Im Behind the Beat-Podcast bittet Tobias Fischer Kreative zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge widmet sich der Klangkünstlerin Mara Schwerdtfeger und ihrer Arbeit mit dem Serge Modular im Stockholmer EMS Studio: Wie tastet man sich an eines der komplexesten Instrumente aller Zeiten heran?

    Der Serge Modular ist nicht einfach nur ein Synthesizer. Er ist ein Kunstwerk und ein Kultobjekt, eine Legende und andauernde Inspiration. Inoffizielle Gebrauchsanleitungen wurden über ihn geschrieben, Bücher über ihn verfasst – und trotzdem ist er noch immer, wie Winston Churchil es einmal über Russland sagte, “ein Rätsel, umgeben von einem Mysterium, das in einem Geheimnis steckt.”

    Dabei wollte Serge Tcherepnin, einfach nur eine preiswert-leistungsfähige Alternative zu den dominanten Buchlas und Moogs bauen. Während letztere hochspezialisiert waren, kamen Serge-Systeme schlank und flexibel daher, womit sie im Grunde genommen die Maxime aller Schlafzimmerproduzenten seit den 80ern vorwegnahmen. Massentauglich wurde der Serge trotzdem nicht. Auch, wenn 80er Jahre FM-Synths nur halb so gut klangen und mit einem Bruchteil an Sound-Design-Optionen auskommen mussten, konnte man mit ihnen schneller und einfacher zu Ergebnisse kommen.

    Ein Aspekt aber bleibt bis heute faszinierend: Der Gedanke, dass es nicht die individuellen Qualitäten und Funktionen der Module sein sollten, die einen Synthesizer ausmachen, sondern wie diese Module miteinander verknüpft werden. Jeder Quadratzentimeter des Serge bietet nahezu endlose Möglichkeiten, jeder Patch drückt nicht nur eine Sound- und Rhythmuskonstellation aus, sondern ganz unmittelbar die Persönlichkeit des- oder derjenigen, die sie gesteckt hat.

    Um den Serge Modular zu spielen, war die australische Klangkünstlerin Mara Schwerdtfeger gerne bereit, den weiten Weg nach Stockholm auf sich zu nehmen. Dort steht in den berühmten EMS Studios eine der wenigen Exemplare, welche der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Für sie war das Gerät eine ihrer ersten Modular-Erfahrungen überhaupt und so näherte sie sich ihm wie eine Spielweise an, ohne übertriebene technische Vorbereitungen und aus dem Bauch heraus. Serge Tcherepnin hätte das gewiss gefallen.

    #49 mit An On Bast

    Im Behind the Beat-Podcast bittet Tobias Fischer Kreative zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge widmet sich der Produzentin und Live-Performerin An On Bast, für die Kontrolle über ihre Kreativität den Kern des Komponierens darstellt – und Modularsysteme die passenden Tools, diese Kontrolle auszuüben.

    Elektronische Musik ist: Technologie und Transistoren, Chips und Schaltpläne, In-the-Box vs Outboard, Kabel, Klinken, Kompressoren. Aber sie ist auch: Mysteriös und unfassbar, subtile Schwingung und wuchtige Vibrationen, Ekstase, Empathie und emotionale Elektrizität. So spannend der technische Aspekt auch sein mag, so wird letzteres für Anna Suda immer im Fokus stehen. Tools sind immer nur ein Mittel zum Zweck. Sie dienen dazu, Kreativität freizusetzen, sie real, kontrollierbar und erfahrbar zu machen. Ohne den Funken der Inspiration sind sie, letzten Endes, wertlos.

    Diese Einstellung erklärt, warum An On Bast nach vielen Jahren mit Veröffentlichungen auf kleinen, aber feinen Boutique-Labels 2021 von der DJ-Ikone Carl Cox gesignt wurde. Der nämlich war genau zu diesem Zeitpunkt nach einer langen Phase der Sinnsuche auf die Magie des Live-Jammens gestoßen. So gab es viele Parallelen zwischen dem letzten Cox-Werk „Electronic Generations” und dem zeitnah entstandenen, monumentalen An-On-Bast-Doppelalbum „I Create as I Speak”, auf dem Anna ihre HörerInnen in immerhin 18 Tracks und zwei Stunden Musik auf eine farbenfrohe Achterbahnfahrt durch ihre Vorstellungskraft nahm. Sowohl live als auch im Studio tobt sich die polnische Produzentin voll aus, schleckt von vielen Töpfen, ohne sich jemals endgültig festzulegen. Doch sogar, wenn sie wie auf dem nachgeschobenen Album „Nothing Shapes Everything” in tiefe Ambient-Stimmungen eintaucht und die Module kratzen, knistern und schleifen lässt, wirkt all das niemals beliebig.

    Was daher rührt, dass Musikmachen bei Anna stets bedeutet: Sich selbst zu erfahren, zu hinterfragen und dabei in Kontakt mit anderen zu kommen. Alleine schon deswegen ist das Spielen fertiger Tracks beim DJing für sie höchstens eine nette Nebenbeschäftigung und niemals kreative Erfüllung. Musik zu machen soll eine Herausforderung bleiben, soll sinnlich sein und sowohl ihr Publikum als auch sie selbst immer wieder neu berühren. Technologie kann vieles – das aber kann sie noch nicht.

    #48 mit Kíkẹ́lọmọ Oludemi

    Im Behind the Beat-Podcast bittet Tobias Fischer Kreative zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge widmet sich der Britisch-Nigerianischen DJ, Produzentin und Radio-Aktivistin Kíkẹ́lọmọ Oludemi, die in der Dokumentation „We Become One” den Globus bereist, um der tiefen, universellen Wirkung von Musik auf die Schliche zu kommen.

    Als Kind wusste Kíkẹ́lọmọ Oludemi lange nicht, was sie werden wollte: Wissenschaftlerin oder Musikerin? In gewisser Weise hat sie sich für beides entschieden. Ihre Arbeit für Technologie-Unternehmen und ihre Karriere als DJ liefen lange parallel, verbanden Tools und Technik mit Imagination und Intuition. Auch auf „We Become One” verbindet sie die beiden Bereiche, macht sie sich auf die Suche nach den offenen und verborgenen Wirkungsweisen von Klang, Rhythmus und Komposition.

    Die Arbeit an dem einstündigen Film führte sie quer über den Globus, stets auf der Suche nach Antworten auf die brennende Frage: Warum entwickelt Musik eine derart hypnotische Kraft? Auch wenn hier im Detail wenig wahrhaft Neues diskutiert wird, ist der Mix aus Neurologie, Tanztherapie, Club-Psychologie und künstlerischen Perspektiven in der Summe einzigartig und bietet einen Rundumschlag, der sogar Skeptikern mehrere inspirierende Momente bescheren dürfte.

    Es wäre auch ganz und gar nicht Kíkẹ́lọmọs Stil gewesen, die Botschaft des Films zu verwässern oder den Experten in den Interviews nur die Bälle zuzuspielen. In seinen stärksten Momenten tangiert „We Become One” immer wieder politische Themen, zeigt das medizinische Potential von Bewegungen auf, verdeutlicht, warum Beats unser Bewusstsein erweitern und auflösen und sowohl homogene Communities schmieden als auch Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen zusammenführen können.

    In diesen Augenblicken zeigt sich Oludemis Erfahrung als Gründerin der in Accra basierten Radiostation Oroko und als Aktivistin. Passenderweise leitet sie nahezu jede Antwort in unserem Interview mit ihr mit den Worten „Das ist jetzt eine umstrittene Aussage” ein. Anders geht es wohl kaum, wenn man in der eigenen Biographie die Konflikte und Synergien zwischen Wissenschaft und Kunst bereits mit sich herumträgt.

    #47 mit Michael Begg

    Im Behind the Beat-Podcast bittet Tobias Fischer Kreative zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge widmet sich dem schottischen Komponisten und Produzenten Michael Begg und seiner Reise in die Arktis, wo er Schrecken und Schönheit von Kontinent und Klimawandel klanglich einfing.

    Auf einer Welt, in der inzwischen nahezu jeder Winkel erforscht und kommerziell ausgeschlachtet ist, bildet die Antarktis eine der letzten verbliebenen Oasen. Als sich die Gelegenheit ergab, für das Scott Polar Research Institute eine Residency am Südpol zu absolvieren, musste Michael Begg nicht zwei Mal nachdenken: “Wer würde nicht die Chance ergreifen, etwas zu erleben, das so weit außerhalb des Gewöhnlichen liegt, so weit weg von unserer alltäglichen Erfahrung, so extrem?”.

    Die Residency führte ihn entlang der Küste zu verschiedenen Orten, an denen er Field Recordings aufnahm, mit Wissenschaftlern sprach und seine Aufnahmen bereits vor Ort in eine musikalische Form brachte. Dabei ergaben sich gerade aus Recording-Perspektive eine Vielzahl von Herausforderungen: Der Zeitdruck, die Kälte, und vor allem der ständige Wind.