• BEHIND THE BEAT Producer Podcast

    #24 mit Ben Lukas Boysen: Rave-Ausflüge

    Im BEAT Producer Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Ben Lukas Boysen, dessen Arbeit sich auf dem schmalen Grat zwischen Soundtracks, moderner Klassik und Electronica bewegt.

    Ben Lukas Boysen empfängt uns in seinem neuen Studio. Der kleine, aber einladende Raum beherbergt seine persönliche Sammlung klassischer Synthesizer, Drumcomputer und eine akribisch geordnete Kabelsammlung („Ich habe immer noch das Gefühl, dass sie nicht geordnet genug ist“, gibt er lachend zu, „ich leide unter schwerer Kabel-OCD.“). Die meiste Musik entsteht jedoch “in the box”, sogar die atemberaubend schönen Klavierklänge, für die er berühmt geworden ist. Die Einfachheit und Sauberkeit des Raums bietet den perfekten Schutzraum für die faszinierend eigenwilligen Rave-Ausflüge seines experimentellen Projekts Hecq – das er nun, nach einer mehrjährigen Phase der Stille, wieder aufleben lässt.

    In vielerlei Hinsicht ist dies der perfekte Zeitpunkt für ein Gespräch. Dank glorreich produzierter Alben wie “Mirage” oder “Gravity” ist Ben längst aus dem Schatten einiger der größeren Labelkollegen von Erased Tapes herausgetreten – allen voran Nils Frahm, den er bei “Gravity” noch als Produzent hinzugezogen hatte. Vor allem die letzten Jahre brachten dank starker Soundtrack-Arbeiten den Durchbruch. 2019 wurde er gebeten, den deutschen Thriller “Der Fall Collini” zu vertonen, seinerzeit der erfolgreichste Film des Jahres. 2022 folgte die TV-Serie “The Lazarus Project”, eine spannungsgeladene Zeitreisegeschichte, die sich in einem an Tennet gemahnenden Universum bewegt und wohl die bisher ambitionierteste und kreativ überzeugendste Originalserie von Sky darstellt.

    Boysens klassische Ausbildung, und seine Jugend in einer Familie von Kreativen und Musikliebhabern, bildete die ideale Basis für einen natürlichen Umgang mit orchestralen Klangfarben. Gleichzeitig führte ihn seine persönliche Liebe zum IDM der 90er Jahre, von Aphex Twin bis Autechre, zu elektronischen Klangskulpturen, komplexen Beatmustern und gespenstischen Stimmungen. Bei Hecq ging es (unter anderem) immer darum, diese beiden scheinbar gegensätzlichen Tendenzen zu einer einheitlichen Sprache zu verschmelzen, zusammengehalten von Boysens Begabung als Arrangeur, Sounddesigner und Klanggeschichtenerzähler.

    Nach einer mehrjährigen Pause von Hecq, gibt es nun plötzlich eine neue EP. Sie trägt den Titel “Form” und ist eines der vielversprechendsten Comebacks in diesem Jahr. “Form” schafft es, ein vertrautes, leicht nostalgisches Gefühl zu transportieren und dieses gleichzeitig in Tracks einzubetten, die einige der abenteuerlichsten Kompositionsideen in Boysens Karriere aufweisen.

    Weniger episch in Design und Klang als das Vorgängeralbum “Mirage” arbeiten diese Stücke mit eigentlich einfachen Ideen, um verblüffend originelle Ergebnisse zu erzielen. Sie zeugen von den Talenten eines Produzenten, für den die Welt der Musik noch voller ungenutzter Potenziale ist – und der, wie unser Podcast beweist, sich auch gerne in aller Tiefe darüber unterhält.

    #23 mit Andreas Schneider: Spaß am Frickeln

    Im BEAT Producer Podcast bittet Tobias Fischer spannende Gäste zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Modular-Papst Andreas Schneider und der von ihm gegründete Superbooth. Seit der ersten Ausgabe ist die Synthie-Fachmesse stetig gewachsen und gilt heute als das wichtigste Event seiner Art überhaupt. Auch Superbooth23 verspricht wieder schmackhaft zu werden. So trafen wir uns für ein Gespräch über den Spaß des Frickelns, die meditativen Qualitäten des Musikmachens und spannende Modular-News.

    Als Andreas Schneider sein „Büro“ eröffnete, waren Modularsynthies das möglicherweise nischigste Produkt der Elektronik. Gemeinhin galten sie als abstrakte und komplizierte Spielzeuge für Musiker, die lieber mit dem Lötkolben als einem Keyboard hantierten. Genau das war es, was Schneider magisch anzog. Frustriert von Erfahrungen als Manager und Marketing-Experte und dem Eogoismis der Musikindustrie fand er endlich das, was ihm so lange gefehlt hatte: Die Liebe am Experiment, am Ausprobieren, am Spielen.

    Aus der Leidenschaft wurde schon bald ein Laden. Hier, und das macht das Konzept aus, konnte man die faszinierenden und doch angeblich längst von der Zeit eingeholten Geräte und Gerätchen ansehen, anfassen und antesten. Letzten Endes also schlicht das, was im konventionellen Einzelhandel für „modernes“ Equipment schon lange selbstverständlich war. Mit dem Unterschied, dass es bei Schneider einfach viel mehr Spaß machte. Und so wird der Zwischenstopp am Kottbusser Tor für so Manchen zum Pflichtprogramm beim Berlinbesuch.

    Der Superbooth (auf den Maskulin legt Schneider viel Wert) wird schon bald zur natürlichen Ergänzung zum Verkauf. Hier treffen sich Hersteller und Kunden, diejenigen welche die Klangkisten bauen und diejenigen, die mit ihnen Musik produzieren. Der Austausch und das Handanlegen ist für das Konzept essentiell. Denn letzten Endes geht es hier nicht ums „Produzieren“ oder „Verkaufen“ – sondern, allen finanziellen Zielen zum Trotz, ums „Machen“.

    #22 mit Todd Terry: Die House Legende

    Im 3×3 Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um die House-Legende Todd Terry. Im Mainstream wurde Terry vor allem mit seinen Remixen zum Star: “Missing” mit Everything But the Girl war sogar so gut, dass er in Deutschland, den USA und UK in der Top 3 landete. Dabei sind gerade seine eigenen Produktionen mitverantwortlich dafür, dass aus einer Nischenbewegung eine weltweites Phänomen entstand.

    James Brown und Quincy Jones waren für den jungen Todd Terry die größten. Schon bald kamen Kraftwerk dazu – eine scheinbar krude Kombination, die aber zum Sprungbrett und zur lebenslangen Inspiration für eine große Karriere wurde. In der Schnittmenge aus diesen Einflüssen und maßgeblich inspiriert von der aufkeimenden Hip-Hop-Bewegung schuf der in Brooklyn geborene Musiker einen Sound, der dreckig war und roh, und der den Finger genau am Puls der Zeit hatte.

    Anderen ging es um kommerziellen Erfolg, Terry aber wollte einfach nur Musik machen und in kreativer Hinsicht “der King” sein. In seinem Schlafzimmerstudio standen bereits die wenigen Geräte, mit denen er schon bald eine Revolution entfachte: Eine Drum Machine, ein paar Synths, ein Paar einfache Boxen und ein Mixer. Die Songs entstanden allesamt live im Augenblick, als Jams und Performances. “Rough” sollte es sein – und “rough” wurde es auch.

    Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, denen langsam aber sicher die Ideen ausgehen, ist das Produzieren für Terry eine Sucht geblieben. Seine Produktivität ist geradezu obsessiv, die Liste der Tracks, die nach seiner Umstellung auf eine digitale Arbeitsumgebung entstanden sind, erstreckt sich ins Unendliche. Dabei bestand eine der Herausforderungen darin, die besagte “Roughness” auch am Laptop zu erzeugen.

    Genau darum – und darüber wie sich Technologie und Kreativität in seinem Schaffen sich seit nunmehr fast 40 Jahren gegenseitig befruchten, geht es in diesem Gespräch.

    Aktuelle Single: Todd Terry, Janika Tenn & Lee Wilson: “I Give You Love”

    #21 mit Markus Reuter – Künstliche Intelligenz

    Im 3×3 Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. Diese Folge dreht sich um Markus Reuters faszinierende Arbeit im Bereich Künstlicher Intelligenz. Mit seinem Projekt Kid Arrow sprengt Reuter die Grenzen seiner eigenen Produktivität und kreativen Vorstellungskraft. Sein Ziel: Neue Welten aus Klang entwerfen, entdecken und erforschen.

    30. So viele Alben hat Markus Reuter in knapp einem Jahr unter den beiden Projektnamen Kid Arrow und 4Gal aufgenommen. Hinzu kommen noch einige als Beacon of Hope. Jedes davon gehört mit zum besten, was im Elektronik-Bereich 2022/23 veröffentlicht wurde – und es hätten problemlos noch einige mehr sein können. Denn diese Musik, irgendwo zwischen Electronica und Ambient, entsteht im Zusammenspiel mit einer selbst entwickelten Kompositions-Software – ein Ansatz, der ihn schon sein gesamtes Musikerleben hindurch verfolgt.

    Alle Stücke basieren auf einer einzigen, kurzen, recht einfachen MIDI-Komposition. Reuter passt für jedes Album einige der Parameter an – Tempo, Tonart und vor allem die Tonhöhe einzelner Noten. Danach schickt er das Stück durch seinen Prozess und erhält dabei Ergebnisse, die zugleich vertraut und doch jedes Mal wieder aufregend anders klingen. Auch das Artwork und sogar die Pressetexte werden mit Hilfe von KI erstellt.

    Die Musik von Kid Arrow steht sehr genau an der Grenzlinie zwischen computerunterstützter Komposition und maschineller Kreativität. Damit erlaubt sie einen tieferen Blick auf die zentralen Fragen, um die sich die aktuelle Diskussion dreht: Was bedeutet Kreativität genau? Was ist der eigentliche Inhalt davon, Musik zu machen? Was macht unsere Menschlichkeit überhaupt aus? Und: Wie kann ich bei all dem meinen Spaß im Studio behalten?

    Markus jedenfalls hat vor der Zukunft keine Angst – darüber und vieles mehr geht es unserem Gespräch.

    #20 mit Thomas Lemmer – Chill in Dolby Atmos

    Im 3×3 Podcast bittet Tobias Fischer spannende Produzenten zum Tiefen-Gespräch. In dieser Folge erklärt Thomas Lemmer, warum er sich für sein aktuelles Album „Hope“ für einen Dolby Atmos Mix entschieden hat, welche Vorteile das Format bietet – und wie er im Studio seinen sofort erkennbaren Stil formt.

    Viereinhalb Millionen Mal wurde Thomas Lemmers „Peaceful“ bis jetzt alleine auf Spotify gestreamt – zehn Mal so viel wie die aktuelle Single der Rolling Stones. Dabei ist das Stück nicht nur rein instrumental, sondern, titelgemäß, von einer tiefen Sehnsucht nach Ruhe geprägt. Chill-Out nannte man das früher – für Lemmer ist es schlicht und ergreifend die Musik, zu der er sich seit vielen Jahren ganz natürlich hingezogen fühlt.

    Dabei kann er auch ganz anders. Davon zeugen seine experimentellen Ambient-Fusionen, Exkursionen in Richtung kosmischer Sequencer-Musik, warme House-Referenzen und seine klassischen Pop-Songs mit der langjährigen Vocal-Partnerin Valeska Rautenberg. „Hope“, sein Ende letzten Jahres auf Sine Music erschienenes Album bietet Beispiele für all diese Facetten und noch einige Überraschungen mehr – und ist damit das wohl vielseitigste und repräsentativste Werk Lemmers überhaupt. Für einige wird es zugleich sein bestes sein.

    Entscheidend für diesen Gesamteindruck sind nicht nur die gewohnt starken Kompositionen, sondern diesmal vor allem auch die epische Klangwelt, in welche „Hope“ die Hörerin in seinen 73 Minuten entführt. Zusammen mit Eric Horstmann, dem wohl führenden Dolby-Atmos-Engineer Deutschlands, öffneten sich für die traumhaften Stücke höhere Dimensionen.

    Davon durften wir uns im Berliner Genelec Experience Center höchstpersönlich überzeugen und mit Thomas und Eric über die Feinheiten der Produktion und des Atmos-Masterings austauschen – sowie über die Studiokniffe hinter viereinhalb Millionen Streams.